AG  Prof. Dr. Frank-Olaf Schreyer

 

Studienführer Mathematik der Universität Bayreuth
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Wozu studiert man Mathematik?

Das Berufsbild des Mathematikers ist weit gefächert. Mathematiker arbeiten in Banken, Versicherungen und Behörden, in der Computerindustrie und in Softwarehäusern, in Consulting-Unternehmen und in vielen Bereichen der Industrie und der Wirtschaft, in Schulen und Hochschulen. Arbeitgeber erwarten von professionellen Mathematikern die Fähigkeit, sich schnell in neuartige Fragestellungen einzuarbeiten und den spezialisierten Fachleuten insbesondere dort zur Seite zu stehen, wo ein Heraustreten aus den gewohnten Gleisen altbekannter Standardverfahren gefordert ist. In jedem Fall wird ein Mathematiker in der Wirtschaft mit Spezialisten aus anderen Fachrichtungen zusammenarbeiten, etwa mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, Informatikern oder Betriebs- und Volkswirten und natürlich auch mit Nichtakademikern. Er/sie muß allerdings auch mit diesen Akademikern anderer Fachrichtungen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren.

Durch die Wahl Ihres Nebenfachs - in Bayreuth werden die Nebenfächer Experimentalphysik, Theoretische Physik, Chemie, Geoökologie mit Schwerpunkt Hydrologie, Biologie mit Schwerpunkt Ökologie, Wirtschaftswissenschaften und Informatik angeboten - können Sie sich auf die Zusammenarbeit mit Akademikern von wenigstens einer anderen Fachrichtung vorbereiten. Im Fachwissen werden Ihnen die Spezialisten anderer Richtung beim Berufseinstieg voraus sein, dafür werden Sie diese aber in mathematischen Kenntnissen und Fähigkeiten weit übertreffen. In jedem dieser anderen Fächer wird zwar ein Mindestmaß an Mathematik an der Universität gelehrt, aber nur von Mathematikern kann man erwarten, daß sie sich in angemessener Zeit neue mathematische Methoden aneignen.

Für das Mathematikstudium gilt eine Regelstudienzeit von 9-10 Semestern. Die durchschnittliche Studienzeit war 13,1 Semester im Bundesdurchschnitt des Jahres 1992 und 11,2 bzw. 11,4 Semester in Bayreuth in den Jahren 1992 bzw. 1995 ([1], [2]).

Das Mathematikstudium mit dem Diplom als Abschluß ist eine voll berufsqualifizierende akademische Ausbildung. Im Gegensatz zu manchen anderen Fächern, in denen ein Großteil der Diplomanden, um die Qualifikation abzuschließen, anschließend noch promoviert (Chemie 80%, Physik 50%), beträgt die Promotionsquote in der Mathematik 20% ([3]). Sie können also davon ausgehen, nach einem etwa fünfjährigen Studium der Mathematik endgültig ins Erwerbsleben einzutreten. Bei dem Studiengang Mathematik für das Lehramt an Gymnasien ist, wie bei allen Studiengängen mit Staatsexamen, nach dem Ersten Staatsexamen ein Referendariat und dann noch ein Zweites Staatsexamen erforderlich.

Die Mathematisierung anderer Wissenschaften, der industriellen Planung und Produktion wird in den kommenden Jahrzehnten weiter rasant voranschreiten. Durch die Entwicklung leistungsfähiger Computer hat sich dieser Trend in jüngster Zeit enorm beschleunigt. So hat sich beispielsweise die Neu- und Weiterentwicklung von Produkten (z.B. im Fahrzeugbau) methodisch grundlegend geändert. Der Bau und Test von Prototypen wird weitgehend durch Computersimulation ersetzt. Der Bedarf an mathematischen Verfahren ist dadurch stark gestiegen. Ein typisches Beispiel dafür, wie eine Branche schlagartig einen erhöhten Bedarf an mathematischer Kompetenz bekommen hat, ist die Einführung von sogenannten Derivaten an der Börse. Die akkurate Bewertung dieser Papiere erfordert in erheblichem Umfang Mathematik.

Nicht untypisch für mathematische Innovation ist, daß nach einiger Zeit die Mathematik für die neuen Verfahren und Produkte genügend gut verstanden ist, um sie getrost in die Obhut anderer Fachleute zu geben. Ein Mathematiker wird sich dann neuen Entwicklungen zuwenden. Natürlich ist es auch so, daß es in den anderen Disziplinen Wissenschaftler und Fachleute mit großer mathematischer Kreativität gibt (zu allen Zeiten waren einige der besten Mathematiker Physiker). Dennoch ist eine Personalpolitik von Unternehmen zur langfristigen Sicherung der Konkurrenzfähigkeit dann am besten, wenn sie in Teams aus Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Informatikern oder Betriebswirten einige Mathematiker integriert [47], [46]. Nur ein Mathematiker wird erkennen, wo mathematische Methoden sinnvoll angewandt werden können. Von Nichtmathematikern werden die Möglichkeiten der mathematischen Methoden gelegentlich über, meistens jedoch unterschätzt. Die ausreichende Bereitstellung von mathematisch qualifizierten Fachleuten spielt eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung des Industriestandorts Deutschland:

Edward E. David, Präsident von Exxon Research and Engineering [10]: '' Too few people recognize that the high technology that is so celebrated today is essentially mathematical technology.''

Prof. H. Weule, Forschungschef von Daimler-Benz [11]: ''Die heute in der industriellen Forschung und Entwicklung geforderten Höchstleistungen können nur mit zunehmendem Einsatz mathematischer Methoden erfüllt werden.''

Neben der rein fachlichen Qualifikation ist es die im Studium erworbene sogenannte mathematische Denkweise, von der Sie und Ihr zukünftiger Arbeitgeber am meisten profitieren. Grob gesprochen handelt es sich darum, bei komplexen Sachverhalten die wesentlichen Punkte zu erkennen, und diese dann mit der Strategie der vielen kleinen Schritte zu analysieren. Natürlich ist diese Vorgehensweise allen Wissenschaften letztlich gemeinsam, aber in der Mathematik tritt sie in ihrer abstraktesten und präzisesten Weise in Erscheinung. Die Abstraktionsfähigkeit macht den Mathematiker zu einem wertvollen Generalisten in jedem Team, vgl. [39].


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