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Supremum

Wir leiten ein weiteres Konstruktionsprinzip für reelle Zahlen her. Nicht jede beschränkte Teilmenge $ M \subset \mathbb{R}$ hat Maximum und Minimum. Wir suchen für diesen Fall einen nützlichen Ersatz.

Ein Beispiel hierfür ist das offene Intervall $ I = (0,\sqrt{2})
= \{ x\in\mathbb{R}\mid x>0,~ x^2 < 2\} $. Die Intervallenden $ 0 $ und $ \sqrt{2} $ sind ausgezeichnet:

-
Die reelle Zahl $ \sqrt{2} $ ist die kleinste Zahl, die oberhalb von allen Punkten aus $ I $ liegt, d. h. $ \sqrt{2} $ ist die kleinste obere Schranke von $ I $. Diese exisitiert aber nur in $ \mathbb{R}$, nicht in $ \mathbb{Q}$.
-
Die Zahl $ 0 $ ist die größte untere Schranke von $ I $.

Wir führen für den gesuchten Begriff kleinste obere Schranke eine Bezeichnung ein:

Definition 2.5.1 (Supremum)  

Es sei $ M \subset \mathbb{R}$ nicht leer und nach oben beschränkt. Hat die Menge

$\displaystyle S_M:=\{a\in\mathbb{R}\mid\:\forall x\in M :\; x\leq a\}
$

der oberen Schranken von $ M$ ein Minimum $ s $, so heißt $ s $ kleinste obere Schranke oder Supremum von $ M$ und wird mit

$\displaystyle s = \sup{M}
$

bezeichnet.

Beispiel. Für das Intervall $ I=(0,\sqrt{2})$ gilt $ S_I=[\sqrt{2},\infty)$ und $ \sup{I}=\min[\sqrt{2},\infty)=\sqrt{2} $.

Bemerkung 2.5.2  
  1. Das Supremum einer Menge ist eindeutig bestimmt, da die Anordnung von $ \mathbb{R}$ total ist (vgl. Feststellung [*] und Bem. [*]).
  2. Falls eine Menge ein Maximum besitzt, so stimmt dieses mit dem Supremum überein:

    $\displaystyle \sup M = \max M$.$\displaystyle $

Bezeichnung 2.5.3 (Infimum)  

Analog zur kleinsten oberen Schranke definiert man für eine nichtleere, nach unten beschränkte Menge $ M \subset \mathbb{R}$ die größte untere Schranke.

Diese heißt Infimum von $ M$ und wir mit

$\displaystyle \inf M
$

bezeichnet.

Feststellung 2.5.4   Es sei $ M \subset \mathbb{R}$ nicht leer und nach unten beschränkt. Bezeichnet $ -M:=\{-x\mid x\in M\}$, so gilt

$\displaystyle \inf{M}=-\sup(-M)$.$\displaystyle $

Feststellung 2.5.5 (Charakterisierung des Supremums)  

Es sei $ M \subset \mathbb{R}$ nicht leer und nach oben beschränkt. Es ist genau dann $ s=\sup{M}$, wenn die folgenden beiden Bedingungen gelten:

  1. $ x\leqslant s$ für alle $ x \in M$
  2. Es gibt eine Folge $ (x_n)$ in $ M$, so daß $ x_n\rightarrow s$.

Korollar 2.5.6  

Die Folge in (2.) kann monoton wachsend gewählt werden.

Beweis Satz [*] .

\fbox{\(\Rightarrow\):}
Es sei $ s=\sup M $. (1.) Dann ist $ s $ eine obere Schranke.

(2.) Da $ s $ kleinste obere Schranke ist, ist $ s-\frac{1}{n} $ keine obere Schranke von $ M$ und es gibt ein

$\displaystyle x_n\in M$   mit$\displaystyle \quad s-\frac{1}{n} < x_n$   .$\displaystyle $

Da $ s-\frac{1}{n} < x_n \leqslant s $ ist, konvergiert die Folge $ (x_n)_n$ gegen $ s $.
\fbox{\(\Leftarrow\):}
Nach (1.) ist $ s $ eine obere Schranke. Sei gemäß (2.)

$\displaystyle (x_n)_n$    in $\displaystyle M$   mit$\displaystyle \quad \lim_{n\to\infty}x_n = s$   .$\displaystyle $

Dann gibt es zu jedem $ t<s $ ein $ n_0\in\mathbb{N}$, so daß für $ n\geqslant n_0$:

$\displaystyle \vert s-x_n\vert< s-t,$   folglich$\displaystyle \quad t < x_n$   .$\displaystyle $

Also ist $ t $ keine obere Schranke von $ M$, d. h. $ s $ ist die kleinste obere Schranke von $ M$.

Beweis Korollar [*].

Man setze (vgl. Feststellung [*])

$\displaystyle y_n :=\max\{x_1,\dots,x_n\}$   .$\displaystyle $

Die Folge $ (y_n)_n $ liegt in $ M$, ist monoton wachsend und konvergiert ebenfalls gegen $ s $.

Aus der Grenzwertregel [*] für Folgen ergibt sich die Bemerkung:

Bemerkung 2.5.7 (Grenzwert oberer Schranken)  

Es sei $ M \subset \mathbb{R}$ nicht leer. Wenn $ (s_n)_n$ eine konvergente Folge von oberen Schranken von $ M$ ist, so ist auch der Grenzwert eine obere Schranke von $ M$.

Aus den Axiomen

(A)
Archimedisches Axiom [*]
(I)
Intervallschachtelungsprinzip [*]
ergibt sich nun die Supremums-Eigenschaft (S):

Satz 2.5.8 (Supremumseigenschaft von $ \mathbb{R}$)  

Jede nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge von $ \mathbb{R}$ hat eine kleinste obere Schranke $ \sup M \in \mathbb{R}$.

Anmerkung. 1. Umgekehrt folgen aus der Supremums-Eigenschaft das Archimedische Axiom und das Intervallschachtelungsprinzip.

2. Zum Beweis konstruieren wir induktiv mit der Methode der Intervall-Halbierung eine Intervallschachtelung.

Beweis . Wir konstruieren induktiv zwei monotone Folgen $ (x_n)_n$ in $ M$ und $ (s_n)_n$ in $ S_M $, so daß für $ n\in\mathbb{N}_0$ gilt:

$\displaystyle s_{n+1} -x_{n+1} \leqslant \frac{1}{2}(s_n-x_n)$        $ (\star)$$\displaystyle $

Startwerte:
Wähle $ x_0\in M$ und $ s_0\in S_M $.
Iteration:
Es seien bereits   $ x_1\leqslant x_2 \leqslant \dots \leqslant x_n $  in $ M$ und $ s_1\geqslant s_2 \geqslant \dots \geqslant s_n $ in $ S_M $ gewählt, so daß $ (\star)$ gilt.

Dann setze man $ y_{n} :=\frac{1}{2}(x_n+s_n) $. Es gibt zwei Fälle

$ y_n\in S_M $:
Setze $ x_{n+1}:=x_n $, $ s_{n+1}:=y_n $.

Dann ist $ s_{n+1}-x_{n+1} = \frac{1}{2}(s_n-x_n) $.

$ y_n \not\in S_M $:
Wähle $ x_{n+1}\in M $ mit $ y_n<x_{n+1} $ und $ s_{n+1}:=y_n $.

Dann ist $ s_{n+1}-x_{n+1} \leqslant s_n-y_n = \frac{1}{2}(s_n-x_n) $.

Die beiden Folgen $ (x_n)_n$ und $ (s_n)_n$ bilden wegen $ (\star)$ eine Intervallschachtelung und konvergieren gegen den gleichen Wert $ s \in S_M $. Nach Feststellung [*] ist $ s=\sup M $.


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Analysis1-A.Lambert 2001-02-09