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Regelfunktionen

Wir stellen für die Integrationstheorie eine Klasse von reellen Funktionen bereit, die sogenannten Regelfunktionen.

Zu den Regelfunktionen gehören die Treppenfunktionen und die stückweise stetigen Funktionen:

Definition 2.8.12 (Treppenfunktion)  

Es sei $ [a,b] $ ein kompaktes Intervall. Eine Funktion $ f: [a,b] \rightarrow \mathbb{R}$ heißt eine Treppenfunktion, wenn es endlich viele Punkte $ a=c_0 < c_1, \dots < c_k = b $ so gibt, daß für $ \kappa = 1,\dots,k $ die Einschränkung $ f\vert _{\textstyle(c_{\kappa-1},c_\kappa)} $ konstant ist.

Bemerkung. Die Treppenfunktion $ f$ ist also auf den offenenen Intervallen $ (c_{\kappa-1},c_\kappa) $ konstant. Die Werte in den Teilpunkten $ c_\kappa $ unterliegen keiner Beschränkung.

Definition 2.8.13 (Stückweise stetige Funktion)  

Es sei $ [a,b] $ ein kompaktes Intervall. Eine Funktion $ f: [a,b] \rightarrow \mathbb{R}$ heißt stückweise stetig, wenn es endlich viele Punkte $ a=c_0 < c_1, \dots < c_k = b $ so gibt, daß für $ \kappa = 1,\dots,k $ die Einschränkung $ f\vert _{\textstyle(c_{\kappa-1},c_\kappa)} $ stetig ist und in den Endpunkten einseitige Grenzwerte in $ \mathbb{R}$:

$\displaystyle f(c_{\kappa-1}^+) = \lim_{x\downarrow c_{\kappa-1}} f(x)$   bzw.$\displaystyle \quad
f(c_\kappa^-) = \lim_{x\uparrow c_\kappa} f(x)
$

hat.

Bemerkung. Die stückweise stetige Funktion $ f$ ist also auf den offenenen Intervallen $ (c_{\kappa-1},c_\kappa) $ stetig und hat eine stetige Fortsetzung auf die abgeschlossenen Intervalle $ [c_{\kappa-1},c_\kappa] $.

Es gibt keine Vorschrift für die Werte in den Teilpunkten $ c_\kappa $.

Eine stückweise stetige Funktion ist beschränkt.

Definition 2.8.14 (Regelfunktion)  

Es sei $ I\subset \mathbb{R}$ ein Intervall mit Anfangpunkt $ a\in \overline{\mathbb{R}} $ und Endpunkt $ b \in \overline{\mathbb{R}} $. Eine Funktione $ f:I \rightarrow \mathbb{R}$ heißt eine Regelfunktion, wenn folgendes gilt:

  1. Für jeden inneren Punkt $ x\in (a,b)$ existieren in $ \mathbb{R}$ der linksseitige Grenzwert $ f(x^+) $ und der rechsseitige Grenzwert $ f(x^-) $.
  2. Wenn der Anfangspunkt $ a\in I$ liegt, so existiert der rechtseitige Grenzwert $ f(a^+) \in \mathbb{R}$.
  3. Wenn der Endpunkt $ b \in I $ liegt, so existiert der linksseitige Grenzwert $ f(b^-) \in\ R $.

Die Menge der Regelfunktionen auf $ I $ wird mit $ \mathcal{R}(I) = \mathcal{R}(I,\mathbb{R}) $ bezeichnet.

Bemerkung Die Definition der Regelfunktion macht keine Vorschrift über die Lage von $ f(x)$ zu den einseitigen Grenzwerten $ f(x^+) $ und $ f(x^-) $ im selben Punkt.

Beispiele 2.8.15 (Regelfunktionen)  

Beispiele von Regelfunktionen sind:

  1. Treppenfunktionen (vgl. Definition [*]),
  2. stückweise stetige Funktionen (vgl Definition [*]),
  3. monotone Funktionen (vgl. Beispiel [*] (3.)) ,
  4. Maximum, Summe, Produkt, und Quotient von Regelfunktionen:

    Die Rechenregeln [*] für stetige Funktionen gelten sinngemäß für Regelfunktionen.

  5. die Stammbrüche-Funktion (vgl. Beispiel [*])

    Dagegen ist die Wackelfunktion (vgl. Beispiel [*] ([*].)) keine Regelfunktion, da für die Wackelfunktion in $ x=0 $ die einseitigen Grenzwerte nicht existieren.

Feststellung 2.8.16 (Grenzwert von Regelfunktionen)  

Es seien $ I\subset \mathbb{R}$ ein Intervall und $ (f_n)_n $ eine Folge von Regelfunktionen auf $ I $ , die gleichmäßig auf $ I $ gegen eine Funktion $ f:I \rightarrow \mathbb{R}$ konvergiert.

Dann ist die Grenzfunktion $ f$ eine Regelfunktion.

Beweis . Die Feststellung folgt unmittelbar aus Satz [*]

Satz 2.8.17 (Approximation für Regelfunktionen)  

Es sei $ [a,b] $ ein kompaktes Intervall. Für eine Funktion $ f: [a,b] \rightarrow \mathbb{R}$ sind die folgenden Aussagen äquivalent:

  1. $ f$ ist eine Regelfunktion.
  2. Es gibt eine Folge von Treppenfunktionen $ t_n:[a,b]\rightarrow \mathbb{R}$ die gleichmäßig gegen $ f$ konvergiert:

    $\displaystyle \Vert t_n-f\Vert \to 0$   .$\displaystyle $

Korollar 2.8.18 (Beschränktheit von Regelfunktionen)   Eine Regelfunktion auf einem kompakten Intervall ist beschränkt.

Übungsaufgabe. Man beweise die Ausage des des Korollars unabhängig, indem man die Beweismethode des Lemmas [*] anpaßt. Man vgl. dazu auch den Beweis von Satz [*].

Beweis . \fbox{2 \(\Rightarrow\)1:} Klar nach Feststellung [*]

\fbox{1 \(\Rightarrow\)2:} Zu $ n\in \mathbb{N}$ bilde man die Menge

$\displaystyle A_n :=\{ c\in[a,b] \mid$   ex. Treppenfunktion $ t:[a,c]\rightarrow \mathbb{R}$    
$\displaystyle \textstyle$   mit $ \vert t(x)-f(x)\vert<\frac{1}{n} $ für $ x\in [a,c] $ } .    

Behauptung:
$ a \in A_n $ und $ x_0 :=\sup A_n \in A_n $.

Es ist $ a \in A_n $. Sei also $ a < x_0 $. Da $ f$ Regelfunktion und $ x_0 = \sup A_n $ ist, gibt es $ c\in A_n $ mit $ a \leqslant c < x_0 $, so daß

$\displaystyle \textstyle
\vert f(x)-f(x_0^-)\vert < \frac{1}{n}$   für $ c < x < x_0 $.$\displaystyle $

Man wähle eine Treppenfunktion $ t:[a,c]\rightarrow \mathbb{R}$ und setze $ t $ zu einer Treppenfunktion $ \tilde{t}:[a,x_0]\rightarrow \mathbb{R}$ fort:

$\displaystyle \tilde{t}(x) :=\left\{ \begin{array}{ll}
t(x) &\quad\text{f\uml u...
...c,x_0) \),}
\\
f(x_0) &\quad\text{f\uml ur \( x=x_0 \),}
\end{array} \right.
$

Dann gilt $ \vert t(x)-f(x)\vert<\frac{1}{n} $ für $ x\in [a,x_0] $. Also $ x_0\in A_n $.

Annahme:
$ x_0:=\max{A_n} < b $.

Da $ f$ Regelfuntion ist, gibt es $ d\in [a,b] $ mit $ x_0 < d $ so, daß

$\displaystyle \vert f(x)-f(x_0^+)\vert < \frac{1}{n}$   für $ x\in(x_0,d\,] $.$\displaystyle $

Man wähle eine Treppenfunktion $ t:[a,x_0]\rightarrow \mathbb{R}$ und setze $ t $ auf $ [a,d] $ fort:

$\displaystyle \tilde{t}(x) :=\left\{\begin{array}{ll}
t(x) &\quad\text{f\uml ur...
...\\
f(x_0^+) &\quad\text{f\uml ur \( x\in (x_0,d\,] \).}
\end{array} \right.
$

Dann gilt $ \vert t(x)-f(x)\vert<\frac{1}{n} $ für $ x\in [a,d] $. Also ist $ d\in A_n $ im Widerspruch zur Annahme.
Also ist $ A_n = [a,b] $ und es gibt eine Treppenfunktion $ t_n:[a,b]\rightarrow \mathbb{R}$ mit $ \vert t_n(x) -f(x)\vert < \frac{1}{n} $ für $ x \in [a,b] $.

Die Folge $ (t_n)_n $ konvergiert gleichmäßig auf $ [a,b] $ gegen $ f$.

Bemerkung 2.8.19 (zur Beweismethode von Satz [*])   Die Beweismethode des Approximationssatzes wird haüfiger verwendet. Man spricht von einem Zusammenhangs-Schluß:

Es sei $ [a,b] $ ein kompaktes Intervall und $ E $ eine Eigenschaft, die ein Teilintervall $ [c,d] \subset [a,b] $ haben kann. Es gelte:
    Aus $ [c,d] $ und $ (d,e] $ haben $ E $, folgt $ [c,e] $ hat $ E $.

Man bilde dann $ A :=\{ c \mid c\in[a,b], \ [a,c]$    hat Eigenschaft $ E \}$   .$ $ und zeige:

  1. $ a\in A $.
  2. $ \sup A \in A $, d.h. $ \max A $ existiert.
  3. Wenn $ c \in A $ und $ c \not= b $, so gibt es ein $ d \in (c,b] $ mit $ d\in A $.
Dann hat $ [a,b] $ die Eigenschaft $ E $.

Korollar 2.8.20 (Monotone Aproximation)  

Es seien $ [a,b] $ ein kompaktes Intervall. und $ f: [a,b] \rightarrow \mathbb{R}$ eine Regelfunktion.

  1. Es gibt eine monoton wachsende Folge von Treppenfunktionen, die gleichmäßig auf $ [a,b] $ gegen $ f$ konvergiert.
  2. Wenn $ f \geqslant 0 $ ist, gibt es eine monoton wachsende Folge von nichtnegativen Treppenfunktionen, die gleichmäßig auf $ [a,b] $ gegen $ f$ konvergiert.

Bemerkung Analog zu [*] (1.) gibt es eine monoton fallende Folge von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $ f$ konvergiert.

Beweis .

  1. Es sei $ (t_n)_n $ eine Folge von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $ f$ konvergiert. Man bilde zunächst die Treppenfunktion

    $\displaystyle u_n :=t_n - \Vert t_n-f\Vert$   .$\displaystyle $

    Dann gilt $ u_n \leqslant f $ und $ \Vert u_n-f\Vert \leqslant 2 \Vert t_n-f\Vert \to 0$.

    Für die Treppenfunktionen

    $\displaystyle v_n :=\max(u_1,\dots,u_n)
$

    gilt dann

    $\displaystyle u_n \leqslant v_n \leqslant f$   und$\displaystyle \quad
\Vert v_n-f\Vert \leqslant \Vert u_n-f\Vert \to 0$   .$\displaystyle $

  2. Wenn $ f \geqslant 0 $ so bilde man zunächst die Folge $ (v_n)_n $ wie in (1.). Dann leistet $ w_n :=\max(v_n,0) $ das Gewünschte.

Bemerkung 2.8.21   Es seien $ [a,b] \subset \mathbb{R}$ ein kompaktes Intervall und $ f: [a,b] \rightarrow \mathbb{R}$ eine Regelfunktion. Zu $ n\in \mathbb{N}$ gibt es höchstens endlich viele Punkte $ \{x_1,\dots, x_{k_n} \} $ in denen

$\displaystyle \vert f(x_\kappa^-) - f(x_\kappa^+)\vert \geqslant \frac{1}{n}
$

ist.

Feststellung 2.8.22   Eine Regelfunktion hat also höchstens abzählbar viele Unstetigkeitsstellen.

Beweis . Es gibt eine Treppenfunktion $ t_n:[a,b]\rightarrow \mathbb{R}$ mit

$\displaystyle \vert t_n(x)-f(x)\vert < \frac{1}{2n}$   für $ x \in [a,b] $.$\displaystyle $

In allen Stetigkeitstellen $ x$ von $ t_n $ ist dann

$\displaystyle \vert f(x^-) - f(x^+)\vert \leqslant \vert f(x^-)-t(x)\vert+\vert t(x)-f(x^+)\vert < \frac{1}{n}$   .$\displaystyle $


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Analysis1-A.Lambert 2001-02-09