Vorwort

Die Theorie der algebraischen Funktionenkörper in endlicher Charakteristik, wie z.B. des rationalen Funktionenkörpers über dem Körper mit q Elementen Fq(T), weist in vielerlei Hinsicht Analogien zur klassischen Zahlentheorie auf, d.h. der Theorie der Zahlkörper über Q. So lassen sich viele Aussagen direkt in den Kontext der Funktionenkörper übertragen, wenn man die Objekte Z, Q und R durch A=Fq[T], K=Fq(T) sowie K_\infty (die Komplettierung von K an der Stelle 1/T) ersetzt. Ein wesentlicher Unterschied zu Q besteht jedoch in der durch den Frobeniusendomorphismus gegebenen Struktur im Fall endlicher  Charakteristik. Durch dessen Existenz wird die Definition nicht-trivialer A-Modulstrukturen auf K ermöglicht, die keine direkte Analogie in Charakteristik Null besitzen. Solche Modulstrukturen mit gewissen Eigenschaften wurden 1974 von V.G. Drinfeld eingeführt und diese nach ihm benannten Drinfeld-Moduln spielen seitdem eine wichtige Rolle in der Arithmetik von Funktionenkörpern.

Schon in den 30er Jahren definierte Carlitz, im Bestreben eine Art von Exponentialfunktion in endlicher Charakteristik einzuführen, den einfachsten Fall eines Drinfeld-Moduls. Die arithmetischen Eigenschaften des Carlitz-Moduls ermöglichten es, eine vollständige Analogie der Kreisteilungserweiterungen über Q und deren Funktion für die Klassenkörpertheorie zu formulieren.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem nächst höheren Fall, nämlich mit Drinfeld-Moduln des Ranges 2. Für solche Drinfeld-Moduln über Körpern L endlicher p-Charakteristik, d.h. L ist eine endliche Erweiterung von F_P=Fq[T]/(p), wird das charakteristische Polynom des zugehörigen Frobenius F bzgl. \phi untersucht. Dieses Polynom ist eine Isogenieklasseninvariante und hat die Form P_\phi(X)=X^2+aX+b mit Koeffizienten a,b aus A. Das Absolutglied b ist bis auf einen Faktor aus Fq durch p gegeben und a hat einen beschränkten Grad. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Verteilungen von charakteristischen Polynomen zu untersuchen.
Zum einen kann man über dem endlichen Körper L alle Drinfeld Moduln betrachten und miteinander vergleichen. Dies kann man  für verschiedene Charakteristiken p durchführen (Fall (a)).

Eine zweite Möglichkeit ist, von einem festen Körper F_P auszugehen und dann die charakteristischen Polynome aller Drinfeld-Moduln über den Erweiterungen F_(P^m) zu untersuchen (Fall (b)).

Ein weiterer Ansatz besteht darin, einen globalen Drinfeld-Modul über dem Körper K an allen Stellen mit guten Eigenschaften zu reduzieren und die charakteristischen Polynome der lokalen Drinfeld-Moduln über den endlichen Körpern F_P zu berechnen (Fall c)).

In den Artikeln  \cite{Yos}, \cite{Bir} und \cite{Tate} werden Untersuchungen im analogen Fall von elliptischen Kurven durchgeführt. Das Absolutglied des dort untersuchten charakteristischen Polynoms ist immer gleich der Primzahl p, an der reduziert wird, und die Frobeniusspur enthält die Information über die Anzahl der Punkte der endlichen Kurve. Es wird die Vermutung aufgestellt und zum Teil bewiesen, dass sich in allen Fällen gleichartige Verteilungen der Frobeniusspuren (nach geeigneter Normierung) ergeben.  Auch in unserem Fall enthält das charakteristische Polynom Informationen über den Körper L, wie z.B. seine Euler-Poincare-Charakteristik, so dass es bei der Konstruktion von L-Reihen und Zeta-Funktionen eine wichtige Rolle spielt.

Den Ausgangspunkt der Arbeit bilden umfangreiche Berechnungen in den oben beschriebenen Situationen. Anhand derer war es möglich, einen Eindruck über das Verhalten des charakteristischen Polynoms zu gewinnen, bestimmte Aussagen darüber zu beweisen und Vermutungen über Gesetzmäßigkeiten zu formulieren.  Besonders eingehende Berechnungen finden in Fall (a) statt. Hier lassen sich am systematischsten alle Fälle bis zu einer gewissen Stufe ausrechnen und man erhält sehr aussagekräftiges Datenmaterial. In den beiden anderen Fällen muss man sich durch die Wahl eines festen F_P bzw eines festen globalen Drinfeld-Moduls auf Einzelsituationen beschränken, so dass eine Verallgemeinerung der Beobachtungen schwierig ist.

In Kapitel 1 und 2 werden die Grundlagen aus der algebraischen Zahlentheorie bereitgestellt und  in die Theorie der Drinfeld-Moduln eingeführt. Kapitel 3 widmet sich den speziellen Eigenschaften von Rang 2 Drinfeld-Moduln und enthält einige grundlegende Sachverhalte, die im weiteren Verlauf sowohl für theoretische Aussagen als auch für die numerischen Untersuchungen, benötigt werden. In Kapitel 4 wird das charakteristische Polynom eingeführt und, den Artikeln \cite{GeOFDM} und \cite{GeDMOFF} folgend, die theoretischen Aussagen über seine Eigenschaften wiedergegeben. Der zweite Abschnitt geht dann der Frage nach, wie es sich berechnen lässt. Es wird eine aus \cite{HsiaYu} abgeleitete Formel für das Signum des Absolutglieds b angegeben und beschrieben, wie man die Frobeniusspur a berechnen kann. Die ebenfalls aus \cite{HsiaYu} bekannte Formel für den "maximal möglichen" Koeffizienten von a im Fall "deg p" gerade wird gezeigt und eine analoge Formel für den Fall, dass deg p ungerade ist, bewiesen.  Kapitel 5 beinhaltet die Untersuchungen der oben beschriebenen Verteilungen. Es wird für bestimmte Polynome gezeigt --im Fall (a) und Fall (b) gleichermaßen geltend-- dass sie nicht als charakteristische Polynome auftreten können. Danach wird allein der Koeffizient a betrachtet und eine Aussage über das Verhältnis zwischen den a mit maximalem Grad und denen mit kleinerem Grad gemacht.  Für den Fall (a) wird im Weiteren das Auftreten der Frobeniusspuren unter Einbeziehung aller Primstellen eines festen Grades untersucht und vermutet, dass sich die Häufigkeit eines bestimmten a mit Hilfe einer Konstanten beschreiben lässt, die einzig von der Anzahl der Nullstellen von a über Fq abhängt.  Die Untersuchungen in Fall (c) zeigen, dass eine Mehrzahl der Beispiele von globalen Drinfeld-Moduln ein "lokal zufälliges"'Verhalten zeigen, d.h. die Menge der reduzierten Drinfeld-Moduln verteilt sich analog den Gesetzmäßigkeiten, die in Fall (a) für alle endlichen Drinfeld-Moduln beobachtet wurden. Hierzu Vermutungen allgemeiner Natur aufzustellen, scheint aufgrund der wenigen berechneten Beispiele jedoch sehr gewagt.

Saarbrücken, Dezember 2000