AG  Prof. Dr. Frank-Olaf Schreyer

 

Studienführer Mathematik der Universität Bayreuth
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Wie sehen die Arbeitsmarktdaten der vergangenen Jahre aus?

Die Arbeitsmarktdaten für Mathematiker sind gut. Zwar hatte die Freisetzung vieler Ingenieure in der Rezession 1994 für Berufsanfänger vorübergehend eine Verschlechterung gebracht, aber bereits 1995 hat sich der Arbeitsmarkt wieder verbessert und 1996 hat er sich nach unserer Einschätzung (Daten liegen noch nicht vor) deutlich erholt. Einen Überblick über die Absolventenzahlen von Diplom-Mathematikern in den letzten Jahren gibt Tabelle 1.

Tabelle 1: Absolventen (Diplom) in Mathematik inklusive Fachhochschulen


Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997
West 1653 1658 1624                        
Gesamt       1900 2094 2106 2111 2061
Quelle: Statistisches Bundesamt

Zur Einschätzung der Bedeutung dieser Zahlen geben wir die Absolventenzahlen in ausgewählten Fächern in den Jahren 1990 (West) und 1994 an und zum Vergleich die Abiturienten- bzw. Geburtenzahlen 5 Jahre bzw. 24 Jahre früher.

Tabelle 2: Absolventenzahlen (Diplom) in verschiedenen Fächern


Fach 1990(W.) 1994
Chemie 3312 3903
Informatik 3693 5789
Elektrotechnik 9758 13065
Maschinenbau/Verfahrenstechnik 15634 19269
Ingenieure, insges. 35537 44962
Mathematik 1494 2161
Physik, Astronomie 3216 3529
Rechtswissenschaften 8982 10042
Wirtschaftswissenschaften 20599 27860
Akad. insgesamt 147607 197073
Abiturienten 5 Jahre früher 209467 ca. 200000
Geburten 24 Jahre früher 1012687 1325386
Quelle: Statistisches Bundesamt

Die Arbeitslosenzahlen von Diplom-Mathematikern haben sich wie folgt entwickelt:

Tabelle 3: Arbeitslosenzahlen von Diplom-Mathematikern


Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998
West 575 691 883 1200 1400 1300                 
Gesamt       1485 1701 1653 1724 1761 1374
Quelle: Zentralstelle für Arbeitsvermittlung

Arbeitslosenzahlen für andere Fächer dürfen und wollen wir Ihnen nicht sagen. Sie können sich über diese in [7] informieren. Der Quotient aus Absolventenzahl und Arbeitslosenzahl eines Jahres ist in der Mathematik vergleichsweise günstig. Man sieht: Vom derzeitigen Arbeitsmarktproblem sind Mathematiker kaum betroffen.

Arbeitslosenquoten liegen uns für 1992 (West) vor.

Tabelle 4: Arbeitslosenquoten 1992 (West)


Gruppe 
Mathematik, 
Statistik 
Naturwissenschaften 
incl. Mathematik und Informatik 
Wiss. Hochschule insges. 
(ohne Lehramt) 
Männer 2.6% 4.5% 3.5%
Frauen 4.1% 11.5% 7.9%
Insges. 2.9% 5.8% 4.6%
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit

Der Anstieg in den Arbeitslosenzahlen erklärt sich aus der gegenwärtigen Rezession. 1994 wurden zum Beispiel im größeren Umfang Ingenieure freigesetzt. In einigen Fächern ist es tatsächlich zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen gekommen. Zeitlich versetzt dazu sind in vielen Fächern die Studienanfängerzahlen stark zurückgegangen, aus der verständlichen Angst vor Arbeitslosigkeit nach langem Studium. Tatsächlich entbehren diese Reaktionen der Abiturienten einer rationalen Begründung: Bis diese Jahrgänge ihr Studium abschließen, wird der Arbeitsmarkt wieder ganz anders aussehen, vermutlich arbeitnehmerfreundlich, da es nur wenige Absolventen geben wird. Über Anfängerzahlen liegen uns keine zuverlässigen statistischen Angaben vor. In der Mathematik sind sie deutlich zurückgegangen, was zumindestens von den Arbeitsmarktdaten her völlig unbegründet ist. Nach Auskunft der Fachvermittler der Arbeitsämter gibt es für Mathematiker derzeit Probleme lediglich bei denjenigen Absolventen, die Berührungsängste vor anderen Bereichen haben. Solche Absolventen hatten schon immer Probleme. Meiner Aufassung nach ist der beste Rat an einen Abiturienten in der Frage der Wahl eines Studienfachs folgender: Lassen Sie sich von Statistiken und Prognosen nicht verunsichern! Studieren Sie, was Sie wirklich interessiert!

Tabelle 5: Berufe von Mathematikern


Ausgeübter Beruf Prozentsatz
ingenieurwissenschaftlich/technisch 29,6%
naturwissenschaftlich 17,0%
Rechtsberufe 0,7%
Verwaltung und Büro 22,4%
kaufmännisch 3,2%
wirtschafts- und sozialwissenschaftlich 1,5%
Gesundheitsdienst 1,5%
Medien/geisteswissenschaftlich/künstlerisch 3,7%
Lehrberufe 15,0%
Übrige 5,4%
Quelle: Mikrozensus des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit

Der Grund dafür, daß Mathematiker von der gegenwärtigen Rezession wenig verspüren, liegt unter anderem an der Breite des Spektrums von Tätigkeiten von Mathematikern. Auffällig am Arbeitsmarkt für Mathematiker ist, daß es nur wenige offene Stellen gibt, für die spezifisch Mathematiker gesucht werden. Das ist in Anbetracht der vergleichsweisen kleinen Absolventenzahl zu den Absolventenzahlen der Konkurrenten aus anderen Fächern nicht erstaunlich.

Meistens ist ein Mathematiker bei einer Neueinstellung eine Alternative zu einem weiteren Ingenieur, Naturwissenschaftler, Betriebswirt oder Informatiker für ein bestehendes Team.

Die Tätigkeitsfelder unserer Absolventen (ohne Lehramtsstudenten) aus den letzten Jahren (soweit bekannt) zeigt:

Tabelle 6: Tätigkeitsbereiche der Bayreuther Absolventen von 1991-1995


Tätigkeitsbereich
Prozentsatz der Absolventen 
(gerundet) 
Software-Firmen 22%
Universitäten/FH 19%
Versicherungen 14%
Elektro-Großindustrie 9%
Technik 9%
Banken 8%
Forschungseinrichtungen 8%
Consulting 7%
Sonstige 4%
Quelle: Eigene Berechnungen

Viele Berufsanfänger lassen sich bei der Stellensuche bewußt Zeit. Gerade für Mathematiker, denen nach dem Diplom so viele Möglichkeiten offenstehen, ist die Wahl der ersten Tätigkeit für den weiteren Berufsweg mit entscheidend. Andere hingegen treten schon vor dem Ablegen der letzten Diplomprüfung eine Stelle an.

Vergleichen soll man die Arbeitsmarktdaten mit Studienzeiten und Erfolgsquoten. Der Median der 46 Diplomanden 1995 in Bayreuth Betrug 11,4 Semester. Im einzelnen verteilten sich die Studienzeiten so, wie sie es der nachfolgenden Tabelle entnehmen können.

Tabelle 7: Studienzeiten der Diplomanden SS 1995 und WS 1995/96


Semester absolut Prozentsatz
9 oder weniger 2 4%
10 5 11%
11 11 24%
12 15 33%
13 5 11%
14 5 10%
15 und mehr 3 7%
Quelle: Eigene Berechnungen

13% der Studenten dieses Abschlußjahrgangs haben ein oder mehrere Semester im Ausland studiert.

Die Studienzeiten für den Studiengang Lehramt an Gymnasien Mathematik und ein weiteres Fach sind länger. Da für die Einstellung in den Staatsdienst, bzw. die Übernahme in das Referendariat allein die Endnote und nicht die Studiendauer zählt, studieren viele Studenten lieber etwas länger. Zur Zeit ist die erforderliche Note sehr hoch, da aufgrund der Arbeitszeitverlängerung für Lehrer im vergangenen Jahr, die Zahl der neu zu besetzenden Stellen drastisch zurückgegangen ist. Dies ließ sich, als der Absolventenjahrgang 1995 das Studium begann, noch nicht vorhersehen.

Tabelle 8: Studienzeiten der Absolventen im Lehramt 1995


Semester absolut
Prozentsatz 
kumuliert 
10 oder weniger 3 8%
11 2 6%
12 10 28%
13 6 16%
14 14 39%
15 und mehr 1 3%
Quelle: Eigene Berechnungen

Aber auch wenn Sie als Lehrer keine Anstellung finden, so können Sie ohne allzu großen weiteren Aufwand noch das Diplom erhalten. Das Staatsexamen qualifiziert auch für andere Tätigkeiten.

Gegenwärtig sind die Studentenzahlen zurückgegangen. Dies heißt für die jetzigen Anfänger vermutlich, daß sie zum Studienabschluß eine für sich ganz ausgezeichnete Arbeitsmarktlage vorfinden werden. Eines jedenfalls scheint sicher zu sein: Die große Mathematikerschwemme wird nicht kommen. Dazu ist der Prozentsatz in der Bevölkerung, der in diesem Studium Erfolg und Spaß haben kann, wohl einfach zu klein.


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