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Definition eines Integrals

Bemerkung.

Mit dem Integral einer Funktion $ f:I \rightarrow \mathbb{R}$ auf einem Intervall $ I $ wird die Fläche angegeben, die durch das Intervall $ I $ auf der Koordinatenachse und den Graphen von $ f$ begrenzt wird.

Dabei zählen Flächen oberhalb der Koordinatenachse positiv und Flächen unterhalb der Korodinatenachse negativ.

Für kompakte Intervalle$ I $ kann man den Quotienten aus der obigen Fläche und der Länge $ \vert I\vert $ des Intervalls als Mittelwert der Funktion $ f$ auf dem Intervall $ I $ ansehen.

Beispiel aus der Physik:

-
Ein Fahrzeug bewegt sich auf einer Geraden während des Zeitintervalls $ [t_0,t_1] $ mit der Geschwindigkeit

$\displaystyle v: [t_0,t_1] \rightarrow \mathbb{R}$.$\displaystyle $

Wenn das Fahrzeug vorwärts fährt, ist $ v(t)>0 $.

Wenn das Fahrzeug rückwärts fährt ist $ v(t)<0 $.

-
Zur Anfangszeit $ t_0 $ befinde sich das Fahrzeug auf der Geraden im Ursprung $ t_0=0 $. Zur Zeit $ t \in [t_0,t_1] $ sei das Fahrzeug im Punkte $ x(t) $.
-
Das Integral der Funktion $ v $ über das Intervall $ [t_0,t_1] $ ergibt den Standpunkt $ x(t_1) $ des Fahrzeugs zur Zeit $ t_1 $.
-
der Quotient aus dem Integral und der Zeitdifferenz $ t_1-t_0 $ ergibt die mittelere Geschwindigkeit auf $ [t_0,t_1] $.

Bemerkung.

In den Lehrbüchern findet man unterschiedliche Zugänge zum Integral, die sich, abgesehen von den verschiedenen Konstruktionen, darin unterscheiden, wie umfangreich die Funktionenklassen sind, für die ein Integral erklärt wird.

Mit wachsender Allgemeinheit aufgezählt sind dies

stetige
Funktionen und ihre Stammfunktionen,
stückweise stetige
Funktionen und ihr Integral,
Regelfunktionen
und das Regelintegral,
Riemann-integrierbare
Funktionen und das Riemann-Integral (für mehrere Variable in Anlysis II),
Lebesgue-integrierbare
Funktionen und das Lebesgue-Integral (Anlysis III).

Diese Integralbegriffe ergeben auf den jeweils kleineren Funktionenklassen dasselbe Ergebnis.

Bemerkung. Das Ziel der Integraltheorien ist weniger, für möglichst wilde Funktionen ein Integral zu erklären, sondern zu zeigen, wie sich das Integral mit unterschiedlichen Konvergenzbegriffen für Funktionenfolgen verträgt.

Eine Folge von Funktionen kann z. B. beschränkt oder monoton sein und sie kann punktweise oder gleichmäßig gegen eine Grenzfunktion konvergieren.

Die folgenden Regeln sollten so allgemein wie möglich gelten:

  1. Der Grenzwert $ f$ einer Folge $ (f_n)_n $ integrierbarer Funktionen ist wieder eine integrierbare Funktion.
  2. Der Grenzwert der Integrale der $ f_n$ ist das Integral des Grenzwertes $ f$.
Ganz allgemein geht das nicht, aber je weniger restriktiv der Integralbegriff ist, um so leichter kann man Grenzübergänge vollziehen und Integrale berechnen.

Bemerkung (Zur Wahl der Integrationstheorie).

In der Analysis I beschränken wir uns vorerst auf:

kompakte Intervalle
als Integrationsbereich.
gleichmäßige Konvergenz
als Grenzwertbegriff.
beschränkte Funktionen
als Integranden, genauer eine handliche Teilmenge der beschränkten Funktionen, die auch die Grenzwerte gleichmäßig konvergenter Funktionenfolgen enthält:
-
Stetige Funktionen reichen für viele Anwendungen aus, aber nur stetige Funktionen ist zu eng.
-
Wir wählen die Regelfunktionen.
-
Die Vorteile des Riemann-Integral zeigen sich erst in der Integrationstheorie mehrerer Variabler.

Bemerkung Wir charakterisieren das Integral der Regelfunktionen durch Axiome, die durch die anschauliche Deutung des Integrals als Fläche nahegelegt werden:

Definition 3.1.1 (Axiome des Regel-Integrals)  

Das Regel-Integral ist eine Familie von Abbildungen von den Regelfunktionen in die reellen Zahlen mit den folgenden Eigenschaften:

1. Zu jedem nichtleeren, kompakten Intervall $ [a,b] \subset \mathbb{R}$, gibt es eine Abbildung, die man Integral über $ [a,b] $ nennt:

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{[a,b]} : {\mathcal R}([a,b]) \rightarrow \mathbb{R}$.$\displaystyle $

Jeder Funktion $ f \in {\mathcal R}([a,b]) $ wird also eine reelle Zahl zugeordnet, die man das Integral von $ f$ über $ [a,b] $ nennt:

$\displaystyle \textstyle
f \mapsto \int\limits_{[a,b]} f$   .$\displaystyle $

2. Dabei sollen die folgenden Regeln gelten:
Intervall-Additivität:
Für $ a$, $ b$, $ c \in \mathbb{R}$ mit $ a<b<c $ und $ f\in {\mathcal R}([a,c]) $ gilt:

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{[a,b]} f \,+\, \int\limits_{[b,c]} f
= \int\limits_{[a,c]} f$   .$\displaystyle $

Auf der linken Seite wird die jeweile Einschränkung $ f\vert[a,b] $ bzw. $ f\vert[b,c] $ integriert.
Monotonie:
Für $ f$, $ g\in{\mathcal R}([a,b]) $ gilt:

$\displaystyle \textstyle
f\leqslant g \quad\Rightarrow\quad
\int\limits_{[a,b]} f \leqslant \int\limits_{[a,b]} g$   .$\displaystyle $

Eichung:
Es sei $ c \in \mathbb{R}$. Für die konstante Funktion $ c\in{\mathcal R}[a,b]) $ gilt:

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{[a,b]}\! c = c\cdot (b-a)$   .$\displaystyle $

Sehr suggestiv ist die von von Leibniz eingeführte Bezeichnung des Integrals mit einer formalen Variablen $ x$ und einem Differential $ dx $. Vorerst ist das Differential nur ein Symbol.

Bezeichnung 3.1.2 (Differentalschreibweise)  

Es seien $ [a,b] $ ein nichtleeres Intervall und $ f \in {\mathcal R}([a,b]) $. In Differentialschreibweise bezeichnet man das Integral mit:

$\displaystyle \int_a^b f(x)\,dx :=
\textstyle \int\limits_{[a,b]}\! f$    .$\displaystyle $

$ a$ heißt untere Grenze und $ b$ obere Grenze des Integrals.

Bemerkung. In dieser Bezeichnung wirken das Integralzeichen $ \int_a^b $ und das Differental $ dx $ wie eine öffnende und eine schließende Klammer.

Wie bei einem Summationsindex ist die Bezeichnung der Variablen unwesentlich: $ \int_a^b f(x)\,dx = \int_a^b f(y)\,dy $.

Bemerkung und Bezeichnung 3.1.3  

  1. Es seien $ c<d $ in $ I = [a,b] $. Wir vereinbaren die Bezeichnung:

    $\displaystyle \int_d^c f(x)\,dx :=- \int_c^d f(x)\,dx$   .$\displaystyle $

  2. Da $ \ \int_a^a f(x)\,dx = \int_a^a f(x)\,dx + \int_a^a f(x)dx $ ist, folgt

    $\displaystyle \int_a^a f(x)\,dx = 0$   .$\displaystyle $

Bemerkung. Mit Bezeichnung (1.) gilt für $ a<c<b $:

$\displaystyle \textstyle
\int_a^b f(x)\,dx + \int_b^c f(x)\,dx = \int_a^c f(x)\,dx $

Diese Formel hat eine anschauliche Deutung:

Integriert man entlang des Weges von $ a$ nach $ b$ und dann zurück von $ b$ nach $ c$, so erhält man das Integral entlang der Wegstrecke von $ a$ nach $ c$.

Definition 3.1.4 (Stammfunktion)  

Es seien $ I\subset \mathbb{R}$ ein Intervall $ f\in\mathcal{R}(I) $ und $ x_0\in I $. Die Funktion

$\displaystyle F: I \rightarrow \mathbb{R}$   mit$\displaystyle \quad x\ni x \mapsto \int_{x_0}^x f(t)\,dt
$

heißt eine Stammfunktion der Regelfunktion $ f$.

Bemerkung.

  1. Das Integral ist durch eine Stammfunktion eindeutig festgelegt. Für $ x,y\in[a,b] $ gilt

    $\displaystyle \textstyle
F(y)-F(x) = \int_{x_0}^y f(t)\,dt - \int_{x_0}^x f(t)\,dt
= \int_x^y f(t)\,dt.
$

  2. Wir werden später sehen, daß eine Stammfunktion $ F $ von $ f$ in allen Stetigkeitspunkten $ x$ von $ f$ differenzierbar ist und dort $ F^\prime(x) = f(x) $ gilt. Zu den Stetigkeitspunkten vergleiche Feststellung [*].

Feststellung 3.1.5 (Lipschitz-Stetigkeit d. Stammfkt.)  

Eine Stammfunkton $ F $ einer Regelfunktion $ f\in\mathcal{R}(I) $ ist auf jedem kompakten Teilintervall $ [a,b]\subset I $ Lipschitsstetig.

Eine Lipschitzkonstante von $ F $ ist $ M :=\sup\limits_{x\in[a,b]}\vert f(x)\vert $:

$\displaystyle \Bigl\vert \int_a^b f(x)\,dx\, \Bigl\vert \ \leqslant\
\sup\limits_{x\in[a,b]}\!\vert f(x)\vert\ \vert b-a\vert$   .$\displaystyle $

Beweis . Für $ x,y\in[a,b] $ gilt

$\displaystyle F(y)-F(x)%% = \int_{x_0}^y f(t)\,dt - \int_{x_0}^x f(t)\,dt
= \int_x^y f(t)\,dt.
$

Es sei etwa $ x<y$. Aus $ -M \leqslant f \leqslant M $, der Monotonie des Integrals und der Eichungsvorschrift folgen:

$\displaystyle F(y)-F(x)$ $\displaystyle = \int\limits_{[x,y]} f\ \leqslant \ $   $\displaystyle M(y-x)= \ $ $\displaystyle M\vert y-x\vert$.    
$\displaystyle F(y)-F(x)$ $\displaystyle = \int\limits_{[x,y]} f\ \geqslant -$   $\displaystyle M(y-x)= -$ $\displaystyle M\vert y-x\vert$    

und somit

$\displaystyle \vert F(y)-F(x)\vert \leqslant M\vert y-x\vert$   .$\displaystyle $

Da die letzte Ungleichung symmetrisch in $ x$ und $ y$ ist, gilt sie auch im Fall $ y<x $.


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Analysis1-A.Lambert 2001-02-09