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Integral von Regelfunktionen

Feststellung 3.1.14   Es seien $ I $ ein kompaktes Intervall und $ f\in\mathcal{R}(I) $. Für jede Folge $ (t_n)_n $ von Treppenfunktionen auf $ I $, die gleichmäßig auf $ I $ gegen $ f$ konvergiert, existiert der Grenzwert

$\displaystyle \textstyle
\lim\limits_{n\to\infty}\int_{I} t_n$   .$\displaystyle $

Dieser Grenzwert hängt nicht von der Wahl der approximierenden Folge ab.

Beweis . Da die Folge $ (t_n)_n $ gleichmäßig auf $ I $ gegen $ f$ konvergiert, gilt das Cauchy-Kriterium [*]

$\displaystyle \forall\varepsilon >0\ \exists n_0\in\mathbb{N}\ \forall n,m\geqslant n_0\ :\
\Vert f_n-f_m\Vert<\varepsilon$   .$\displaystyle $

Nach Korollar [*] gilt

$\displaystyle \textstyle
\Bigl\vert\, \int\limits_{[a,b]} t_n - \int\limits_{[a,b]}t_m \Bigr\vert
\leqslant (b-a)\,\Vert t_n-t_m \Vert$   .$\displaystyle $

Also ist auch die Folge $ \bigl( \int\limits_{[a,b]} t_n \bigr)_n $ der Integrale eine Cauchyfolge und somit konvergent.

Nach dem Reißverschlußprinzip konvergiert für jede andere Folge $ (\tilde{t}_n)_n $ von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $ f$ konvergiert, die Folge $ \bigl( \int\limits_{[a,b]} \tilde{t}_n \bigr)_n $ der Integrale gegen den gleichen Grenzwert.

Bemerkung. Nach Satz [*] gibt es zu jeder Regelfunktion $ f$ auf einem kompakten Intervall eine Folge $ (t_n)_n $ von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $ f$ konvergiert.

Nach Feststellung [*] konvergiert die Folge $ (\int\limits_{[a,b]}\! t_n)_n $ der Integrale gegen einen Grenzwert, der unabhängig von der gewählten Folge von Treppenfunktionen ist.

Wir definieren diesen Grenzwert als Integral von $ f$:

Definition 3.1.15 (Integral für Regelfunktionen)  

Es sei $ f: [a,b] \rightarrow \mathbb{R}$ eine Regelfunktion. Man erklärt das Integral von $ f$ als Grenzwert der Integrale einer Folge $ (t_n)_n $ von Treppenfunktionen, die auf $ [a,b] $ gleichmäßig gegen $ f$ konvergiert:

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{[a,b]}\! f
:=\lim\limits_{n\to\infty}\int\limits_{[a,b]}\! t_n$   .$\displaystyle $

Satz 3.1.16 (Eigenschaften des Regel-Integrals)  
  1. Das Integral [*] erfüllt die Axiome [*]
    Intervall-Additivität,
    Monotonie,
    Eichung.
    Es ist durch diese Axiome eindeutig bestimmt.
  2. Das Integral ist linear: Für Regelfunktionen $ f$, $ g $ auf einem kompakten Intervall $ I $ und $ \lambda $, $ \mu \in \mathbb{R}$ gilt

    $\displaystyle \textstyle
\int\limits_{I}(\lambda f + \mu g) =
\lambda\int\limits_{I} f
\ + \ \mu\int\limits_{I} g$   .$\displaystyle $

  3. Das Integral ist beschränkt: Für eine Regelfunktion $ f$ auf einem kompakten Intervall gilt:

    $\displaystyle \textstyle
\bigl\vert \int\limits_{I} f \bigr\vert \leqslant (b-a)\,\Vert f\Vert$.$\displaystyle $

Beweis .

  1. Inervall-Additivitat:
    überträgt sich von den Treppenfunktionen (vgl. Satz [*]) unmittelbar auf die Grenzwerte.
    Monotonie:
    Es seien $ f$, $ g $ Regelfunktionen auf $ [a,b] $ und es gelte $ f\leqslant g $. Nach Korollar [*] gibt es eine monoton wachsende Folge $ (s_n)_n$, die gleichmäßig gegen $ f$ konvergiert und eine monoton fallende Folge $ (t_n)_n $ von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $ g $ konvergiert.

    Dann ist $ s_n \leqslant f \leqslant g \leqslant t_n $ und folglich

    $\displaystyle \textstyle
\int\limits_{[a,b]}\! f
= \lim\limits_{n\to\infty}\int...
...
:=\lim\limits_{n\to\infty}\int\limits_{[a,b]}\! t_n
= \int\limits_{[a,b]}\! g$   .$\displaystyle $

    Eichung:
    Die Eichung gilt für Treppenfunktionen.
    Eindeutigkeit:
    Es gibt eine monoton wachsende Folge $ (s_n)_n$ und eine monoton fallende Folge $ (t_n)_n $ von Treppenfunktionen, die gleichmäßig gegen $ f$ konvergieren. Aus der Monotonie des Integrals folgt nun die Eindeutigkeit.

  2. Die Linearität des Integrals von Treppenfunktionen überträgt sich unmittelbar auf die Grenzwerte (vgl. [*])
  3. Die Beschränktheit des Integrals von Treppenfunktionen überträgt sich unmittelbar auf die Grenzwerte. (vgl. [*])

Korollar 3.1.17 (Beschränktheit des Integrals)  

  1. Es sei $ [a,b] \subset \mathbb{R}$ ein kompaktes Intervall. Für das Integral zweier Regelfunktionen $ f$, $ g\in\mathcal{R}([a,b]) $ gilt:

    $\displaystyle \textstyle
\Bigl\vert\, \int\limits_{[a,b]} f - \int\limits_{[a,b]}g \Bigr\vert
\leqslant (b-a)\,\Vert f-g \Vert$   .$\displaystyle $

  2. Konvergiert eine Funktionenfolge $ (f_n)_n $ in $ \mathcal{R}([a,b]) $ gleichmäßig auf $ [a,b] $ gegen $ f$, dann ist $ f\in \mathcal{R}([a,b]) $ und es gilt

    $\displaystyle \textstyle
\int\limits_{[a,b]}f
= \int\limits_{[a,b]} \lim\limits_{n\to\infty} f_n
= \lim\limits_{n\to\infty} \int\limits_{[a,b]}f_n
$

Bemerkung 3.1.18 (Endlich viele Punkte)  

1. Eine Funktion $ \phi:[a,b]\rightarrow \mathbb{R}$, die nur in endlich vielen Punkten einen Wert ungleich Null hat, ist eine Treppenfunktion mit $ \int\limits_{[a,b]} \phi = 0 $.

2. Es sei $ f\in \mathcal{R}([a,b]) $. Ändert man $ f$ in endlich vielen Punkten beliebig ab, so ändert sich der Wert des Integrals nicht:

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{[a,b]} (f+\phi) \int\limits_{[a,b]} f$   .$\displaystyle $

Bemerkung. Unter einer Tranlation versteht man die Abbildung

$\displaystyle \mathbb{R}\ni x \mapsto x+c$,$\displaystyle $

wobei $ c \in \mathbb{R}$ eine Konstante ist.

An der Eichungsformel [*] sieht man, daß das Integral einer Treppenfunktion invariant unter Tranlationen ist. Dies überträgt sich dann auf Regelfunktionen:

Bemerkung 3.1.19 (Translationsinvarianz)  

Das Integral ist translationsinvariant. Für $ f\in \mathcal{R}([a,b]) $ und $ c \in \mathbb{R}$ gilt:

$\displaystyle \int_a^b f(x)\,dx = \int_{a+c}^{b+c} f(x-c)\,dx
$

Bemerkung. Eine affine Funktion hat die Form

$\displaystyle \mathbb{R}\ni x \mapsto cx+d$   mit Konstanten $ c,d\in\mathbb{R}$.$\displaystyle $

Die folgende Transformationsformel ist ein Spezialfall der Substitutionsformel [*] für Integrale.

Lemma 3.1.20 (Affine Transformationen)  

Gegeben sei eine affine Funktion $ g: x\mapsto cx+d $, $ x \in \mathbb{R}$ mit Konstanten $ c$, $ d\in\mathbb{R}$, $ c\not=0 $, ein kompaktes Intervall $ I $ und $ J=g(I) $. Für $ f\in\mathcal{R}(J) $ gilt:

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{g(I)} f = \vert c\vert\,\int\limits_{I} f\circ g$   .$\displaystyle $

Man beachte, daß auf der rechten Seite der Betrag von $ c$ steht. Ist $ I = [a,b] $ so lautet die Formel in Differential-Schreibweise:

$\displaystyle \int_{g(a)}^{g(b)} f(y)\,dy = \int_a^b f(g(x))\cdot c\,dx$   .$\displaystyle $

Beweis . Es reicht die Transformationsformel für Treppenfunktionen zu zeigen. Durch Grenzwertbildung folgt sie dann für Regelfunktionen.

Wegen der Intervall-Additivität des Integrals reicht es, die Formel für konstante Funktionen $ f= K $ zu zeigen.

Es sei $ I = [a,b] $.

Wir betrachten zunächst den Fall $ c>0 $. Dann ist $ g(a) < g(b) $ und es gilt

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{g(I)} f = K(g(b)-g(a)) = K\,c\,(b-a)
= c \int\limits_{[a,b]} f\circ g$   .$\displaystyle $

Im Falle $ c<0 $ ist $ g(a) > g(b) $ und es gilt

$\displaystyle \textstyle
\int\limits_{g(I)} f = K(g(a)-g(b)) = K\,c\,(a-b)
= -c \int\limits_{[a,b]} f\circ g$   .$\displaystyle $


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Analysis1-A.Lambert 2001-02-09