Herbsttagung AK Mathematik und Bildung in der GDM
Der Arbeitskreis Mathematik und Bildung in der GDM lädt herzlich zu seiner diesjährigen Herbsttagung am 08. und 09. November 2024 (von Freitag 13 Uhr bis Samstag 14 Uhr) nach Saarbrücken an die Universität des Saarlandes ein!
Bildung nachhaltig entwickeln – Demokratie stärken
Nach unserer letzten Herbsttagung sowie unserem Treffen auf der GDM in Essen ist Bildung für nachhaltige Entwicklung weiterhin ein zukunftsweisendes Thema. Zudem kommen in letzter Zeit in Zuge der wichtigen Wahlen von 2024 und 2025 Diskussionen zum Thema „Demokratie“ vermehrt wieder auf: Wie kann die Demokratie gegen Populismus, Propaganda und sonstige Einflussnahme geschützt werden? Wie kann in einer Demokratie das Thema „Nachhaltigkeit“ nachhaltig gesichert werden? BNE bedeutet auch, die Institutionen zu stärken, welche Nachhaltigkeit in einer demokratischen
Gesellschaft ermöglichen. Wir nehmen das zum Anlass, das Thema BNE zu vertiefen und insbesondere unter dem Thema Demokratie zu beleuchten.
Im Sinne des Arbeitskreises können dabei verschiedene Fragen aufgeworfen werden:
- Welche Perspektiven können aus einem mathematischen Bildungsverständnis heraus auf die Themen BNE und speziell Demokratie eingenommen werden?
- Wie können konkrete Bildungsanlässe zu BNE oder Demokratiebildung im Mathematikunterricht aussehen?
- Kann und soll Mathematikunterricht die Demokratie stärken?
- Ist mathematische Bildung politisch und/oder sollte sie es sein?
- Was sind die Spannungsfelder zwischen Bildungsbegriffen wie mathematischer Allgemeinbildung, BNE und Demokratiebildung? Was sind mögliche Synergien?
- …
Neben dem Fokusthema der Tagung sind aber selbstverständlich auch freie Beiträge außerhalb des Fokusthemas gerne willkommen!
Unterbringung & Verpflegung
Die Tagung findet in der Fachrichtung Mathematik an der Universität des Saarlandes statt. Als gemeinsames „Tagungshotel“ konnten wir die Hermann-Neuberger-Sportschule des Saarländischen Fußballverbands (Fußballschule) gewinnen. Verpflegung (Abendessen, Frühstück, Mittagessen) erhalten wir im Sportlertreff des LSVS direkt neben der Fußballschule. Anders als in vorherigen Jahren gibt es daher eine Tagungsgebühr, die aber Verpflegung und ggf. Unterbringung bereits voll beinhaltet, einschließlich eines gemütlichen gemeinsamen Abends. Die Tagungsgebühr beträgt mit Übernachtung 100 € und ohne Übernachtung 50€.
Anmeldung
Wir freuen uns über Vortragsvorschläge. In der Regel sind für einen Vortrag 30–45 min und eine anschließende Diskussion vorgesehen. Bei Interesse schicken Sie bitte einen Vortragstitel und ein Abstract von max. 250 Wörter bis zum 31. August 2024 an
Angemeldete Vorträge (Zeitplan - PDF-Datei)
Brück Johanna (Gießen) Systemisches Denken für eine BNE – Konkretisierung am Kontext Bienen und Menschen
Eine nachhaltige Zukunftsgestaltung ist gesellschaftlich von zentraler Bedeutung. Dies erfordert die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erfassen, die Auswirkungen eigener Handlungsalternativen abzuwägen und begründete Entscheidungen zu treffen. Die Förderung solcher Kompetenzen verfolgt der Ansatz des systemischen Denkens. Dazu scheint auch die Mathematik vielfältige Beiträge leisten zu können. Gleichzeitig hat ihre Anwendung Grenzen, die es zu reflektieren gilt. Exemplarisch wird an einem System um Bienen und Menschen konkretisiert, wie sich systemisches Denken im fächerübergreifenden Mathematikunterricht fördern lässt.
Carina Büscher & Susanne Hilger (Köln) Reflexionen zu algorithmischen Entscheidungssystemen von Lehramtsstudierenden
KI, Algorithmen oder algorithmische Entscheidungssysteme (ADMS) sind mittlerweile tief in unserem Alltag verankert. Trotz zahlreicher Vorteile birgt der Einsatz von ADMS neben Chancen auch erhebliche Risiken, beispielsweise wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden und ein ADMS auf dieser Grundlage eine Entscheidung über Menschen trifft. Angesichts dieser Herausforderungen ist es entscheidend, die Bevölkerung zu mündigen Bürgern auszubilden, damit sie nicht nur passive Konsumenten sind, sondern durch kritisches Hinterfragen die digitale Welt aktiv mitgestalten können. Dabei spielen Lehrkräfte eine zentrale Rolle, da sie einen direkten Einfluss darauf haben, wie zukünftige Generationen mit den Technologien umgehen werden. Es ist somit wichtig, das Thema in der Lehrkräfteausbildung zu verankern.
Um algorithmische Mündigkeit bei Lehramtsstudierenden zu fördern, wurden im Rahmen eines Seminars an der Universität zu Köln zwei Sitzungen zu ADMS am Beispiel von Entscheidungsbäumen durchgeführt. Neben der Erlangung von Grundwissen über die Entstehung von Entscheidungsbäumen sollten auch Reflexionen über den Gegenstand, seine angemessene Verwendung und die damit verbundenen Zwecke angestoßen werden. Konkrete Reflexionsaufträge wurden diskutiert und schriftlich bearbeitet. Die entstandenen Schriftprodukte wurden anschließend ausgewertet, um die Bandbreite der darin auftauchenden Reflexionen zu analysieren. Diese Reichhaltigkeit soll im Vortrag beispielhaft vorgestellt werden.
Christian Büscher Statistiken auf Social Media und Vertrauen in politische Institutionen – ein Fall für Statistical Literacy?
Politischer Diskurs findet heute oft vermittelt über Social Media statt. Der Demokratie kommt dies nur in Teilen zugute: Die Nutzung von Social Media kann zwar Partizipation erhöhen, ist aber auch verknüpft mit steigender Sorge vor Desinformation, sinkendem Medienvertrauen und geringem Vertrauen in politische Institutionen. Doch nicht nur Desinformationen sind hier zu finden, es finden sich auch eine große Zahl an statistischen Informationen – und zwar von allen politischen Richtungen. Im Vortrag wird argumentiert, dass Statistical Literacy die Fähigkeit Kommunikation durch und über statistische Informationen auf Social Media ermöglicht, und damit möglicherweise einen Beitrag zur Stärkung des demokratischen Diskurses leisten kann. Einblicke in ein Forschungsprojekt zeigen, wie Lernende eine 7. Klasse zu politisch extremen Social Media Posts Stellung nehmen, und was dies für die Förderung von Statistical Literacy bedeutet.
Tanja Hamann & Thekla Kober (Hildesheim) Seminar "Demokratiebildung im Mathematikunterricht" – ein Erfahrungsbericht
In unserem Beitrag möchten wir einen Einblick in Konzeption und Inhalte eines im SoSe 2024 von uns durchgeführten Masterseminars zum Thema Demokratiebildung im Mathematikunterricht sowie unsere damit gemachten Erfahrungen geben.
Jannik Heckmann (Bielefeld) Kritisches Denken im Mathematikunterricht
Eine zentrale Grundlage der Wahrnehmung von Bürgerrechten und Erfüllung von Bürgerpflichten in einer Demokratie ist kritisches Denken. Kritisches Denken spielt zudem auch eine wichtige Rolle in der mathematischen Bildung. Im Mathematikunterricht kann Kritisches Denken sich beispielsweise anhand von diesen Schüler:innentätigkeiten äußern:
Schüler:innen …
- … behandeln soziale, politische und für die Umwelt relevante Themen mit Hilfe von mathematischer Modellierung und Statistik
- … setzen mathematische Fähigkeiten und mathematisches Wissen zur zielgerichteten und informationsbasierten Urteilsbildung ein und folgern zielgerichtete Handlungen aus dem Urteil
- Urteilsbildung auf Basis mehrerer Modellierungsprozesse und/oder Statistiken
- … reflektieren die Rolle von Mathematik bei der Modellierung und Erstellung von Statistiken
- Hinterfragen von Statistiken und Schwellenwerten
Dabei bleiben die genauen Zusammenhänge zwischen dem kritischen Denken und der mathematischen Bildung allerdings unklar und es mangelt an konkreten Wegen, das kritische Denken im Mathematikunterricht anzusprechen.
Dieser Vortrag soll einen Beitrag dazu leisten, die Festlegung des Konzeptes des mathematikbezogenen kritischen Denkens vorzubereiten. Dafür soll der Begriff des Kritischen Denkens zunächst angenähert und anschließend mit der mathematischen Bildung in Verbindung gebracht werden.
Zusätzlich soll in diesem Vortrag ein Ausblick auf mögliche Kontexte und Formate von Lernumgebungen zum mathematikbezogenen kritischen Denken gegeben werden. In der Frage nach der Förderung kritischen Denkens im Mathematikunterricht sind insbesondere Kontexte der Bildung für nachhaltige Entwicklung möglich. Das Fach Mathematik bietet im Rahmen der Bildung für nachhaltige Entwicklung z. B. Möglichkeiten, wissenschaftliche Fundierungen für Auseinandersetzungen mit nachhaltiger Entwicklung und globaler Zukunftsfähigkeit zu liefern und komplexe Vorgänge zu strukturieren.
Johanna Heitzer (Aachen) "Wer kein Geld hat, muss dafür bezahlen." - Mathematische Bildung und Urteilsfähigkeit in Finanzfragen
Abstract folgt
Johannes Hinkelammert (Berlin) Wie kann das Thema „Bruchrechnen“ einerseits grundschulgerecht (in der 6-Jährigen Grundschule) und verständlich sowie andererseits anschlussfähig an die Sekundarschulmathematik gestaltet werden?
In meinem Vortrag möchte ich das Thema Bruchrechnen aus der Perspektive der Grundschule strukturieren undvdamit eine bessere Anschlussfähigkeit an vorhandenes Wissen und Wissensstrukturen ermöglichen. Ich möchte jedoch keineswegs eine „kindliche“ Bruchrechnung einführen, sondern eine Anschlussfähigkeit auch nach „oben“ d.h. an die Mathematik der Sekundarstufe und an Konzepte wie der Relationalität, der Proportionalität bis hin zum funktionalen Zusammenhang ermöglichen. Ich habe die Vermutung, dass diese neue Perspektive auch für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe durchaus eine Bereicherung sein kann, vor allem für leistungsschwache Schüler:innen.
Obwohl ich in Berlin (mit seiner 6-jährigen Grundschule) die Bruchrechnung in Seminaren zur Grundschullehrkräfteausbildung lehre, ist es ausdrücklich mein Ziel, auch Lehrkräften aus der Sekundarstufe eine, zumindest zum Teil, neue Perspektive auf die Bruchrechnung zu eröffnen.
Mit einer Mischung aus ethnographischer und phänomenologischer Perspektive versuche ich mich in einem ersten Schritt an die Sichtweise der Schüler bei der Einführung der Brüche hinein zu versetzen. Darauf aufbauend entwickle ich eine an das Vorwissen anschlussfähige Darstellung der gebrochenen Zahlen.
Die gebrochenen Zahlen weisen zwei Besonderheiten auf, die sie von den bisherigen Zahlen unterscheiden. Eine erste Besonderheit ist, dass zwei Darstellungsweisen für den Wert gebrochener Zahlen möglich sind, die Dezimaldarstellung und die Darstellung als Bruch. Die Schüler haben also eine Wahl, bezüglich der Darstellung gebrochener Zahlen. Dies ist insofern bedeutsam, dass sich die Frage stellt nach welchen Kriterien die Schüler diese Wahl vornehmen. Dem möchte ich mich in meinem Vortrag widmen.
Ein zweites neues Phänomen erscheint mit der Einführung der Bruchschreibweise. Ein Zahlenwert wird nicht mehr durch eine Zahl dargestellt, sondern durch zwei Zahlen, die durch einen sog. Bruchstrich voneinander getrennt sind. Diese Darstellungsweise wird in der Schule idR. nicht transparent gemacht und ich möchte dem in meinem Vortrag nachgehen. Letztlich stellt sich heraus, dass lediglich bei Aufgaben, die den relationalen Zahlbegriff erfordern (z.B. Proportionalität, Verhältnisrechnung), die Bruchschreibweise effizienter als die Dezimalschreibweise ist. (Dies macht auch verständlich, weshalb Schüler oftmals das Bedürfnis haben, Brüche in Dezimalbrüche umzuwandeln und damit zu Rechnen.) Dies führt zu der Notwendigkeit einer Grundschulangemessenen Erklärung des Bruchstrichs und zu einer tiefen Einsicht in die Darstellung multiplikativer Verhältnisse durch die Bruchschreibeweise.
Es soll der Prototyp von Material vorgestellt werden, mit dem eine solche Einsicht generiert werden könnte, die Anschlussfähig an Vorwissen gewährleistet und Kenntnisse zu Darstellungsweisen der Sekundarstufe anbahnt (Darstellung einer linearen Funktion im Koordinatensystem). Ich werde auf die Problematik eingehen, dass Schüler oftmals nicht verstehen, was „das Ganze“ ist. Es scheint sich dabei eher um eine Problematik des nicht vollzogenen Wechsels des Zahlbegriffs zu sein. Wird ein Bruch als Kardinal gedeutet, so wird die Problematik des „Ganzen“ sichtbar, wechselt man jedoch zur Deutung des Bruchs als relational, so scheint sich diese Problematik nahezu aufzulösen, was ja auch einleuchtet, denn „das Ganze“ weist auf die Relationalität des Bruchbegriffs hin, was ja beim relationalen Zahlbegriff die grundlegende Perspektive ist.
Zu guter Letzt soll ein Ausblick gegeben werden, inwiefern diese Analyse dem Mathematikunterricht der Sekundarstufe zuarbeitet und Erkenntnisse anbahnt.
Anselm Lambert & Katharina Wilhelm Demokratiebildung im mathematikdidaktischen Diskurs gestern, heute ... und morgen?
Abstract folgt
Wolfram Meyerhöfer (Berlin) Das elementare Rechnenlernen und seine Abbildung in Rahmenplänen
Ich möchte mich in meinem Vortrag an einem Thema versuchen, das früher im Arbeitskreis Mathematik und Bildung ein Dauerthema war und das nach der Einführung der Bildungsstandards ein wenig aus der Mode gekommen ist: der Lehrplandiskussion
Ausgangspunkt ist die Behauptung, dass die Mathematikdidaktik in den letzten 25 Jahren ihren Blick auf das elementare Rechnenlernen – damit meine ich die Grundrechenarten, fokussiere aber vor allem das Erlernen von Addition und Subtraktion – verändert hat. Ich würde diesen Blick gern ein wenig systematisieren und analysieren, inwieweit dieser neue Blick sich in den Rahmenplänen abbildet. Meine Leitfragen sind:
- Was muss beim elementaren Rechnenlernen verstanden werden und was muss routinisiert werden?
- Was wissen wir über das elementare Rechnenlernen, was wir vor 25 Jahren noch nicht wussten?
- Werden diese Elemente in den Bildungsstandards und in den Rahmenplänen noch adäquat abgebildet?
Daniel Pötz (Graz) Allgemeinbildender Mathematikunterricht und Financial Literacy in Symbiose
In der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft wird es immer wichtiger, eine aufgeklärte und selbstdenkende Bürger:in zu sein. Der allgemeinbildende Mathematikunterricht ist mitverantwortlich Lernende dabei zu unterstützen als Verbraucher:in in unserer Gesellschaft diese Art der Mündigkeit zu erlangen (Winter, 1995). In meinem Vortrag möchte ich den ersten Teil meiner Dissertation vorstellen, indem die Explorationsphase der Design Based Research Studie betrachtet wird und erste Designideen vorgestellt werden. Innerhalb der Explorationsphase führt eine qualitative Vorstudie zu den Perspektiven von Lernenden über gesellschaftliche Themen wie Inflation. Diese Perspektiven stellen den Ausgangspunkt für ein Unterrichtsdesign dar, welches dazu dient Gestaltungsprinzipien für einen Mathematikunterricht zu entwickeln welcher zum einen Themen (Inflation) aus dem Bereich Financial Literacy aufgreift und zum anderen Winter´sche Grunderfahrungen ermöglicht. Die Entwicklung von lokalen Theorien wird in diesem Zusammenhang als weiteres Forschungsziel ausgegeben. Im Vortrag selbst möchte ich Verbindungen vom allgemeinbildenden Mathematikunterricht und Financial Literacy aufzeigen und entsprechend die Ergebnisse meiner Vorstudie präsentieren. Die Verwendung dieser Ergebnisse für die Designentwicklung wird ebenfalls Beachtung finden. Ein kurzer Ausblick für das weitere Vorgehen meines Forschungsprojektes wird den Vortrag abschließen.
Gabriele Wickel (Wuppertal) BNE - ESD: approach to a bilingual perspective
Bilingualer Unterricht leistet einen bedeutenden Beitrag zu Mehrsprachigkeit und Internationalisierung und die Formulierung von Zielen für nachhaltige Entwicklung durch die Vereinten Nationen zeigt insbesondere die Internationalität der Problemfragen auf. Inwiefern eine kulturelle Dimension von Mathematik gewinnbringend genutzt werden kann, um es Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, einen multiperspektivischen Zugang zu entwickeln, in dem sich problemlösende und modellierende Erfahrungen und bilinguale Perspektiven verbinden, wird im Forschungsvortrag diskutiert werden.
Tagungsleitung
Christian Büscher, Universität Duisburg-Essen,
Anselm Lambert, Universität des Saarlandes,